Der Krieg in der Ukraine treibt die Ölpreise in die Höhe. Der kriegsbedingte Preisschock erinnert an die folgenschwere Ölpreiskrise im Jahr 1973. Auch wenn sich ein Vergleich mit damals aufdrängt, muss sich Geschichte nicht wiederholen.

Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges erreichen die Ölpreise neue Höhen. Die 79 US-Dollar pro Barrel von vor wenigen Monaten scheinen in weiter Ferne, inzwischen wird das Fass am Markt für weit über 100 US-Dollar gehandelt1. Nachdem sich ein Großteil der westlichen Welt hinter die Ukraine stellte und Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängte, könnten nun beide Seiten in den kommenden Wochen die Lieferbeziehungen aufkündigen. Es wäre ein harter Schlag für den westlichen Konjunkturmotor insbesondere in Europa, und ein weiterer Schritt in Richtung Stagflation

Ökonomen erleben ein Dejá-Vu

Einen kriegsbedingten Ölpreisschock gab es schon einmal, und zwar 1973. Damals straften die Staaten des Öllieferkartells OPEC die westlichen Industrieländer mit einem Ölembargo ab. Im Jom-Kippur-Konflikt hatte der Westen zuvor zu Israel gehalten. Nach dem Exportstopp war der Ölpreis stark gestiegen, das befeuerte die Inflation und setzte die Ölimporteure jahrelang stark unter Druck. Ähnlichkeiten zum aktuellen geopolitischen Rahmen lassen sich schwer leugnen. Ist die nächste Weltwirtschaftskrise also bereits vorprogrammiert?

Ein Vergleich mit vielen Unterschieden

Nein. Denn diesmal könnte es auch ganz anders kommen. Trotz mancher Gemeinsamkeiten gibt es nämlich auch klare Unterschiede zwischen damals und heute. So ist die Abhängigkeit von fossilen Energien nicht mehr so hoch wie damals. Vor allem aber ist zu erwarten, dass die Notenbanken diesmal anders handeln. Das wird nun von entscheidender Bedeutung sein – und hier dürften die Parallelen zu damals endgültig enden. 

Im Jahr 1973 traf der Ölpreisschock die Weltwirtschaft mit voller Wucht. Die Ölknappheit löste nicht nur eine massive Inflation aus, sondern auch eine Energiesparwelle, es flossen Zuschüsse zur Wärmedämmung, es gab Tempolimits, autofreie Sonntage und eine Reihe großer Konjunkturpakete. Schließlich versuchten dann die Notenbanken, die steigende Inflation durch Zinserhöhungen einzudämmen. Die Bundesbank, die früh umschwenkte, war damit einigermaßen erfolgreich. 

Anders in den USA: Dort hatte man in den Folgejahren besonders große Schwierigkeiten, die Inflation wieder einzufangen. Ende der 1970er Jahr drohte schließlich bei anhaltend hoher Geldentwertung gar ein Zusammenbruch des Staatsanleihenmarktes. Da trat 1979 der neue Vorsitzende der Federal Reserve Bank (Fed), Paul Volcker, ins Amt ein, er zog die Zinsen, die wieder im Sinkflug waren, aggressiv an, sie kletterten in der Spitze auf rund 20 Prozent. Der Volcker-Schock saß tief und führte zu einer schweren Anpassungskrise. Die Wirtschaft litt unter den extrem hohen Leitzinsen, die Inflationsraten blieben trotzdem noch ein Weile hoch, die Konjunktur brach zusammen. Das Ergebnis war eine Stagflation, die schließlich auf eine Rezession hinauslief und bis in die 1980er Jahre andauerte.

Investoren blicken heute auf ein verlorenes Jahrzehnt zurück. Und fast fünfzig Jahre später könnte der „Volckerismus“ womöglich zurückkehren. Doch diesmal kann die Geldpolitik der 1970er als mahnendes Beispiel dienen. Die Notenbanken könnten eine bessere Balance finden und einen ähnlichen politischen Irrtum diesmal vermeiden. Im Hinblick auf die Zinswende haben die Währungshüter zudem gelernt, ihre Absichten im Voraus zu signalisieren. 

So hob die Fed, um die Inflation zu zähmen, den Leitzins am 16. März zunächst zaghaft um 25 Basispunkte an, was bei Marktteilnehmern keine große Reaktion auslöste. Im Gegensatz zu Volcker hatte der heutige US-Notenbank-Chef Jerome Powell schon zu Jahresbeginn die schrittweise Anhebung ab März angekündigt. Die erhöhten Leitzinsen waren an den Anleihenmärkten somit längst eingepreist, Risiko-Spreads an die neuen Marktbedingungen angepasst.

Nicht nur die Notenbanken, sondern auch Anleger können aus der Vergangenheit lernen. Das gilt insbesondere beim Blick auf die Aktienmärkte. Der Ölpreisschock führte damals nämlich keineswegs sofort zu Kurseinbrüchen. Ähnlich wie heute haussierten die Aktienmärkte noch eine ganze Weile. Die tatsächlichen Auswirkungen zeigten sich erst rund zwölf Monate später, als die Aktienkurse damals recht plötzlich einknickten. Auch diesmal könnte uns also noch ein Einbruch bevorstehen.

Fazit

Geschichte wiederholt sich selten, aber sie reimt sich. Dieses in den USA häufig zitierte Sprichwort ist auch in diesen Tagen wieder oft zu hören. Denn steigende Inflationsraten, ein Krieg, hohe Ölpreise und die schwelende Gefahr einer Stagflation bilden eine ähnliche Ausgangslage wie in den 1970er Jahren, als die Welt in eine tiefe Rezession stürzte. Die gute Nachricht: Die Notenbanken haben dazugelernt. Als die Fed vor 50 Jahren eine Schocktherapie ausrief, um die Inflation zu bändigen, mag das richtig gedacht gewesen sein, der Umsetzung fehlte es jedoch an Maß und Mitte. Nun erleben wir einen Volckerismus light, der besser ausbalanciert sein dürfte. Statt vorzeitig wieder voll ins Risiko zu gehen, sollten Anleger sich in Geduld üben und defensiv bleiben. Ein diversifiziertes Portfolio dürfte sich in den nächsten Monaten in jedem Fall auszahlen.

Quelle

Sorte Brent mit bisherigem Jahreshöchstpreis bei 129,80 USD am 8.3. Preis am 6.4. um 107,40 USD. siehe https://www.tagesschau.de/wirtschaft/boersenkurse/xc0009677409-4770764/

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